Kurzvortrag von Stefan Wittenbrink am 15.11.2022 zum Thema Antisemitismus in Beckum

Verfolgung – Vertreibung – Ermordung

Der früheste Nachweis jüdischer Einwohner in Beckum stammt aus dem Jahr 1343. Im Januar 1933 gehörten der jüdischen Gemeinde Beckum 101 Personen an. Schon nach wenigen Monaten der menschenverachtenden nationalsozialistischen Herrschaft reduzierte sich deren Zahl in Beckum durch erste Wegzüge teils ganzer Familien in größere Städte oder ins Ausland. Dies sind die ersten erkennbaren, sehr konsequenten Zeichen des auch in Beckum stark zunehmenden Antisemitismus.

Bis Ende 1937 waren mehr als zwei Drittel der ehemaligen jüdischen Gemeindemitglieder nicht mehr in Beckum ansässig. Viele konnten sich dem nationalsozialistischen Terror und deutschen Unrechtsstaat vor allem durch eine Emigration u.a. nach Palästina, Großbritannien und den USA der weiteren Verfolgung entziehen und ihr Leben in Freiheit sichern. Aber 52 Beckumer jüdischen Glaubens verloren von 1933 bis 1945 ihr Leben durch Ermordung oder verübten wegen Perspektivlosigkeit Suizid.

Allen Spuren der Beckumer Juden aus den Jahren seit 1933 wurde in verschiedenen Archiven und auf Datenplattformen nachgegangen. Das Ergebnis dieser umfangreichen Recherche zeigt viele bisher in Beckum nicht bekannte erschütternde Leidenswege und vielfach auch die oft sprachlos machende Vernichtungs-Systematik des nationalsozialistischen Unrechtsregimes.

Ende Juli 1942 wurden die beiden letzten in Beckum lebenden Juden Louis und Theres Rose deportiert und 1942 bzw. 1944 im KZ Theresienstadt ermordet. Seither gibt es in Beckum kein jüdisches Leben mehr.

Durch das detaillierte Sichtbarmachen und die Erinnerung an das Leben und Schicksal aus Beckum stammender jüdischer Opfer soll das Vergessen verhindert werden. Auf diese Weise sollen sie nicht im Dunkel der Geschichte verschwinden und ihr Andenken in Beckum dauerhaft bewahrt werden.

Inge Windmüller-Horowitz, 1930 in Beckum geboren, gab im April 2022 ein Interview über ihre Erinnerungen bis zur Emigration in die USA 1937.

Einen kleinen Auszug aus diesem Interview zeige ich Ihnen jetzt. Sie spricht über ihren Großvater Salomon Windmüller der sein ganzes Leben über 72 Jahre lang in Beckum im Haus Weststraße 19 lebte.

Nun zeige ich Ihnen meine intensiven Forschungen am Beispiel von Salomon Windmüller. Diese Auflistungen habe ich einheitlich für bisher insgesamt 64 Personen angelegt. Sie zeigen die:

  • Lebensdaten
  • Todesorte
  • verwandtschaftlichen Beziehungen
  • Wohnadressen
  • Berufe
  • Umzugs-, Emigrations- und/oder Deportationsdaten

von jüdischen Bürgern aus Beckum, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurden.

Als Grundsatz gilt:

  • dass sie in Beckum geboren und/oder mindestens 10 Jahre hier wohnhaft gewesen sind,
  • im Laufe der NS-Diktatur ermordet wurden
  • oder seither als vermisst gelten
  • oder aus Perspektivlosigkeit Suizid begannen.

Von den 31 in den Jahren 2007/2008 für jüdische Opfer mit Beckumer Wurzeln verlegten Stolpersteinen können nun mit den neuen Forschungs-Erkenntnissen 15 davon mit damals noch unbekannten Informationen ergänzt oder erheblich verbessert werden sowie mindestens 17 neue Stolpersteine vorgeschlagen werden.

Als Beispiel für solch eine dringend notwendige Verbesserung stelle ich Ihnen die neuen Erkenntnisse zum Schicksal der beiden Schwestern Paula und Klara Heine vor.

Bisher steht auf ihren Stolpersteinen an der Nordstraße 24 nur die völlig falsche Information, dass sie nach Polen ausgewiesen wurden. Heute wissen wir, dass sie beide Euthanasie-Opfer wurden. Hierzu kam es auch, weil die USA für die beiden geistig beeinträchtigten Schwestern kein Visum erteilen wollte.

Alle anderen Mitglieder der Familie Heine konnten dagegen in die USA emigrieren und dort neue Lebensgrundlagen aufbauen. Ihr 1931 in Beckum geborener Neffe Ernie lebt noch heute in Kalifornien, aber selbst ihm war das grauenhafte Schicksal seiner Tanten bis im April diesen Jahres nicht bekannt.