Gedenkstele für Krieg und Zwangsarbeit
Der Heimat- und Geschichtsverein Beckum hat am 30.3.2025 die Gedenkstele für Krieg und Zwangsarbeit knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die Stadt Beckum übergeben.
80 Jahre nach dem Kriegsende gedenken wir der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Beckum
Die ersten polnischen Kriegsgefangenen kamen schon Mitte Oktober 1939 nach Beckum, also 6 Wochen nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen. Diese Gefangenen waren für die Zementindustrie in Beckum und Neubeckum bestimmt. Sie sollten im Steinbruch die deutschen Arbeiter ersetzen, die als Soldaten eingezogen waren.
Ab Mai 1940 kamen dann Gefangene aus Frankreich, Holland und Belgien und ab Juni 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, auch russische und ukrainische Gefangene.
Weil die Kriegsgefangenen die deutschen Arbeiter nicht ersetzen konnten, wurden auch Zivilpersonen, Männer, Frauen, z.T. Kinder aus Polen, der Ukraine und Russland nach Deutschland verschleppt und hier zur Arbeit gezwungen. SS, Wehrmacht, aber auch deutsche Polizei machten z. B. Razzien auf öffentlichen Plätzen in Polen und zwangen die Menschen direkt in die Wagen der Reichsbahn.
So kamen während des Krieges insgesamt 5,7 Millionen zivile Zwangsarbeiter und 1,9 Millionen Kriegsgefangene nach Deutschland zur Zwangsarbeit.
In Beckum waren ungefähr 950 kriegsgefangene Zwangsarbeiter und 1300 zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Von diesen kennen wir die Namen, meistens auch das Geburtsdatum, den Geburtsort und auch die Betriebe, in denen sie in Beckum arbeiten mussten. Die meisten Zwangsarbeiter waren in der Zementindustrie, der Landwirtschaft und im Maschinenbau eingesetzt, aber auch in Geschäften und Haushalten, insgesamt in etwa 200 Beckumer Betrieben. Dazu sind uns etwa 400 ausländische Patienten aus den genannten Ländern in den Beckumer Krankenhäusern und 400 Gefangene im Beckumer Polizei- und Gerichtsgefängnis bekannt, von denen wir zwar die Namen kennen, aber nur wenige Betriebe, in denen sie gearbeitet haben.
Für die kriegsgefangenen Zwangsarbeiter wurden in Beckum, Neubeckum und Vellern 17 Lager und für die zivilen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter 12 Lager errichtet, so wie am Ort der jetzigen Sparkasse Münsterland Ost, das Lager für die 150 sog. Ostarbeiterinnen. Aber auch auf den Bauernhöfen lebten viele zivile Zwangsarbeiter. Die zivilen Zwangsarbeiter durften abends nach 20 Uhr die Lager nicht mehr verlassen, Besuch von Gaststätten, Kinos war verboten, verboten war auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die zivilen Zwangsarbeiter mussten ein besonderes Kennzeichen tragen, ein „P“ für Polen und ein „Ost“ für Ukrainer und Russen.
Die Situation in den einzelnen Lagern dürfte sehr unterschiedlich gewesen sein. Aus dem Gefangenenlager „Lourenkamp“ in Neubeckum haben Zeitzeugen berichtet, dass der deutsche Aufseher die russischen Arbeiterinnen und Arbeiter mit der Peitsche zur Arbeit angetrieben hat. Die Arbeiter mussten am Neubeckumer Bahnhof die zerbombten Gleise selbst unter Fliegerbeschuss reparieren. Dieser Aufseher wurde nach der Befreiung von ihnen erschlagen.
Über das Leben der Zwangsarbeiter in Beckum wissen wir sehr wenig. Von Zeitzeugen in Beckum wissen wir, dass in den Lagern gehungert wurde. Eine offizielle polnische Quelle nennt Misshandlungen polnischer Zwangsarbeiterinnen in Beckum.
Der Beckumer Hermann Helming (der bei Kriegsende 18 Jahre alt war) erinnert sich in seiner Autobiographie an einen tragischen Vorfall beim damaligen Zementwerk Bomke & Bleckmann „ … Mein Vater wurde zur Zementfabrik Bomke-Bleckmann gerufen (der Vater war Arzt am Beckumer Krankenhaus). Dort waren etwa zwanzig russische Kriegsgefangene angekommen zur Arbeit. Die Frau, die sie zu versorgen hatte, sah die verhungernden Gestalten und kochte ihnen eine kräftige münsterländische Kartoffelsuppe mit viel Speck – zwölf starben – mein Vater konnte nicht helfen – nur die Frau für die Zukunft aufklären“.
Diese Russen sind nicht auf dem Gräberfeld bei den anderen Zwangsarbeitern auf dem Elisabeth-Friedhof beerdigt. Wo sie beerdigt wurden, ist nicht bekannt. In den Sterbebüchern der Stadt Beckum sind sie nicht aufgeführt. Die Wehrmacht war autonom, nicht verpflichtet, sich an kommunales Recht zu halten.
Nach Kriegsende war Zwangsarbeit kein Thema mehr. Wenn darüber gesprochen wurde, dann über Plünderungen nach der Befreiung. Erst im Jahr 2000 hat der Bundestag eine Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschlossen, da waren die meisten schon verstorben. Danach wurde langsam in einzelnen Städten die Zwangsarbeit vor Ort untersucht und aufgearbeitet.
Und nun nach 80 Jahren tun wir das auch in Beckum mit der Errichtung dieser Stele. Die Stele besteht aus 6 Elementen von 4 cm dickem unbehandelten Stahl. Die einzelnen Teile stehen parallel zueinander, schräg vor der Wand direkt vor der Sparkasse, die sichtbare Höhe beträgt 1,43m. Die Stahlelemente sind im Boden miteinander verbunden und mit 50 cm Beton bedeckt. In die einzelnen Elemente sind die Wörter „Krieg 1939, Deportation, Gefangenenlager, Zwangsarbeit, Tod, Befreiung 1945“ eingefräst. Der Entwurf der Stele wurde von dem Metallbildhauer Paul Tönnißen aus Vellern erstellt.
Nachstehend die Ansprachen während der Übergabe:
- Stefan Wittenbrink - Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins.
- Michael Gerdhenrich - Bürgermeister der Stadt Beckum
- Reinhold Sudbrock - Autor des Buches - Zwangsarbeit in Beckum in der Zeit von 1939 – 1945
Pressebericht : Stahlstele als mahnendes Mahnmal