Rede des Bürgermeisters Michael Gerdhenrich
Übergabe der Stele zum Thema Zwangsarbeit durch den Heimat- und Geschichtsverein
30. März 2025
Sehr geehrter Herr Wittenbrink,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
zunächst einmal freue ich mich über das (große) Interesse an dieser besonderen Veranstaltung, die sich einem ausgesprochen düsteren Kapitel unserer Stadtgeschichte widmet.
Im nationalsozialistischen Deutschland und in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten wurden mehr als zwanzig Millionen Menschen der Zwangsarbeit unterworfen. In Rüstungsbetrieben, auf Baustellen, in der Landwirtschaft, im Handwerk oder auch in Privathaushalten. Im Januar 1942 wurden die ersten „Ostarbeiter“ mit Zügen in das „Deutsche Reich“ deportiert. Die Menschen wurden verschleppt, ausgebeutet, erniedrigt, lebten unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Und so kamen auch viele nach Beckum: Diese neue Stele gedenkt der Menschen, die in unserer Stadt im Laufe des 2. Weltkriegs unter widrigsten Umständen zu harter Arbeit gezwungen wurden, ob als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter oder als Kriegsgefangene. An diesem Ort in unserer heutigen Fußgängerzone stand das wohl größte Lager. Es war konzipiert für 150 Frauen, wurde aber später auch für Männer genutzt. Die Gesamtzahl der hier Untergebrachten dürfte um einiges höher gewesen sein, da viele der Menschen nicht bei den Behörden gemeldet waren. Das Gebäude, in dem sie untergebracht waren, gehörte dem jüdischen Mitbürger Phillip Windmüller, der 1939 vor den Nazis geflohen war.
Insgesamt hat es in Beckum wohl mehr als 1 200 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gegeben sowie etwa 950 Kriegsgefangene, die hier ebenfalls Zwangsarbeit leisten mussten. Es wurden 29 Zwangsarbeiterlager in der gesamten Stadt ausgemacht. Die Zwangsarbeit gehörte zum Beckumer Alltag.
Dieses von Paul Tönnißen entworfene Kunstwerk steht für unsere moralisch-ethische Verpflichtung, in Demut der Opfer zu gedenken, und es ist zugleich Mahnung für die Zukunft, es nie wieder zu Rassismus, Menschenverachtung und Ausbeutung kommen zu lassen. Die abgebildeten Worte ragen wie Stachel in den Himmel, unter dem alle Menschen gleich sind. Sie regen die Passantinnen und Passanten dazu an, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Ich finde es äußerst gelungen und danke Herrn Tönnißen für dieses bewusst sperrige Werk sowie auch dem beteiligten Unternehmen, namentlich Herrn Martin Große Lohmann, für die fachgerechte Umsetzung. Die Städtischen Betriebe haben die Stele schließlich eingebaut.
Mein Dank gilt allen, die einen Beitrag zu dieser neuen Gedenkstelle und zur Aufarbeitung dieses Kapitels unserer Stadtgeschichte geleistet haben; allen voran dem Heimat- und Geschichtsverein Beckum für die Initiative. Ein herzliches Dankeschön geht an den Autor Reinhold Sudbrock, der sich, wie wir gerade eindrucksvoll gehört haben, intensiv mit der Zwangsarbeit in Beckum auseinandergesetzt hat.
Für die finanzielle Unterstützung gilt mein herzlicher Dank neben dem Heimat- und Geschichtsverein Beckum auch der Sparkasse Münsterland-Ost, InnerWheel Beckum, der Marianne Blumenbecker-Stiftung, dem Landwirtschaftlichen Ortsverband Beckum und dem Verein Beckumer Industrie!
Wir dürfen es nie wieder soweit kommen lassen und müssen uns heute mehr denn je mit allen Kräften gegen die Gefahren für unsere Demokratie und unsere Freiheit zur Wehr setzen. Wir haben heute eine schwierige Gemengelage und es mit vielen Krisen gleichzeitig zu tun: Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken gehören heute zu unserem Alltag, da müssen wir mit aller Macht entgegensteuern. Dazu kommen Größenwahn, reaktionäre Politik in Staaten, die wir bislang als Partner geschätzt und wahrgenommen haben, neoimperialistische Gedankenspiele à la Trump und Musk, der aggressive Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Ausschalten politischer Gegner erscheint nicht nur Putin als probates Mittel zur Machterhaltung, das sehen wir aktuell auch in der Türkei. Und in Deutschland ist die AfD zweistärkste Kraft im soeben konstituierten Bundestag. Eine Partei, die sich vermeintlich der Sorgen der Menschen annimmt, für die Menschlichkeit aber ein Fremdwort ist. Kurz: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.“ Das ist sie wahrlich nicht, da es in Beckum viele engagierte Menschen und Vereine gibt, die sich für ein gutes Miteinander und für das Gemeinwohl einsetzen. Heute ist ein hoffnungsvoller Tag, denn wir setzen mit dieser Stele gemeinsam ein Zeichen gegen geschehenes Unrecht und gegen rechts! Vielen Dank Ihnen allen!
Ich lade Sie alle ein, auch an den Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der kampflosen Übergabe Beckums an die Alliierten teilzunehmen. So veranstaltet die Stadt Beckum am Dienstag um 17 Uhr eine Gedenkfeier auf dem Marktplatz, an der einige Beckumer Schulen teilnehmen. In einer kleinen Sonderausstellung im Stadtmuseum bietet die Korrespondenz der beiden Kommandanten in Ahlen und Beckum spannende Einblicke in die letzten Kriegsstunden. Hier ist auch eine BBC-Dokumentation zu sehen, die 1985 in Beckum gedreht wurde. Und der Heimat- und Geschichtsverein – Herr Wittenbrink wird das sicher ergänzen wollen – lädt am Dienstagabend ins Stadttheater zu einem ganz besonderen Stück ein. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei!
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!