Vortrag von Maria Sudbrock am 15.11.2022 zum Thema Unterrichtseinheiten

Für das Projekt „A little German Town – zum Beispiel Beckum“ hat die Geschichtswerkstatt  des Heimat- und Geschichtsvereins Beckum zwei Unterrichtseinheiten erarbeiten lassen. Zwei Lehramtsstudentinnen haben sich mit den Themen „Jüdisches Leben“ und „Zwangsarbeit in Beckum“ auseinandergesetzt. Beide Studentinnen engagieren sich neben ihrem Studium in geschichtspolitischen Projekten und arbeiten in Institutionen, die sich vor allen Dingen mit der Aufarbeitung der NS-Zeit beschäftigen.

Warum hat die Geschichtswerkstatt für unsere Stadt Beckum eigene Unterrichtsreihen über die NS-Zeit entwickelt? In allen Schulbüchern und im Internet gibt es reichlich Material über diese dunkle Zeit unserer Geschichte. Warum also eine Geschichtsbetrachtung am eigenen Wohnort zu Themen, die für ganz Deutschland von Relevanz sind?

Nun, wir waren der Meinung, dass eine Aufarbeitung der Geschehnisse in unserer kleinen Stadt einen Zugang zum komplexen Gesamtbild der schrecklichen Ereignisse ermöglichen kann – wenn man sich das überhaupt vorstellen kann.

Durch die persönliche Nähe zur eigenen Stadt bekommt die NS -Vergangenheit für die Schülerinnen und Schüler eine andere Bedeutung. Dabei endet die Geschichte unserer Stadt natürlich nicht an den Stadtgrenzen. Besonders im Hinblick auf die nationalsozialistischen Verbrechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung Beckums lassen sich verschiedene Mechanismen erkennen und Wege, die über die ganze Welt führen, werden deutlich. Auch jüdisches Leben und Traditionen sind da nicht an Stadtgrenzen gebunden.

Ebenso ist das Thema „Zwangsarbeit“ ein großes Thema für ganz Deutschland, aber auch für die Stadt Beckum. Bisher war dieses Thema hier nicht so präsent, insbesondere wohl, weil es Kontinuitäten beispielsweise in Firmen, Bauernhöfen, Geschäftshaushalten und privaten Haushalten gibt, die damals davon profitiert haben.  

Aber gerade weil das Thema von so großer Bedeutung ist, eignet es sich unserer Meinung nach besonders, die Auswirkungen im eigen Umfeld zu untersuchen. Durch die unmittelbare Lokalität des Themas können die Schülerinnen und Schüler eine Verbindung zu sich selbst herstellen und Spuren dieser unsäglichen Zeit entdecken.

Es wird immer schwerer, den Schülerinnen und Schülern die Frage zu beantworten, was diese Themen mit ihnen zu tun haben, wo doch schon ihre Großeltern die NS – Zeit nicht mehr erlebt haben.

Durch die Konfrontation mit der eigenen Stadtgeschichte, den lokalen und konkreten Bezug, kann diese Frage besser beantwortet werden.

So erfahren sie zum Beispiel, dass an dem heutigen Standort der Stadtsparkasse früher ein altes Bauernhaus mit Stallungen und Scheunen stand, dass dem jüdischen Vieh- und Pferdehändler Philipp Windmüller gehörte. Und nachdem er 1939 seine Heimatstadt Beckum verlassen hatte, entstand hier in einem umgebauten Pferdestall das größte Zivilarbeiterlager in Beckum. 1943 vermietete die Stadt Beckum dieses Gebäude an die „Gesellschaft Ostarbeiterinnenlager Beckum“. Das Lager war konzipiert für 150 Frauen, die aus Polen, der Ukraine und Russland kamen und in Beckum zur Zwangsarbeit gezwungen wurden.

An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass es in Beckum keinen Erinnerungsort an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gibt.  Hier wäre ein passender Ort.

Vielleicht erkennen die Schülerinnen und Schüler durch die eigene Stadtgeschichte die Relevanz des Themas und entwickeln über den lokalen Bezug hinaus ein Interesse für Geschichte und Politik, auch für die gegenwärtigen Konflikte in der Welt.

Das Material für die Unterrichtseinheiten wurde von der Geschichtswerkstatt bereitgestellt und ergänzt durch externe   Recherchen der Studentinnen. Natürlich gibt es noch immer den Wunsch, neue Erkenntnisse der Geschichte zu entdecken, insbesondere um angemessene Opfer- und Täterperspektiven darstellen zu können.

Die Unterrichtseinheiten konnten leider noch nicht an den Schulen durchgeführt werden. Schulschließungen, während der Covid 19 Pandemie 2021, besondere Vorsichtsmaßnahmen in dieser Zeit und eigene Coronaerkrankungen führten immer wieder zu Verzögerungen. Das Angebot an die vier Beckumer Oberschulen, diese Unterrichtseinheiten für den Unterricht zu benutzen, bleibt bestehen.