Biographien der Beckumer Ortsgruppenleiter

Hugo Brinkmann

Hugo Brinkmann wurde am 03. Januar 1892 in Wesel geboren. Er war Arbeiter von Beruf, verheiratet und wohnte auf der Heddigermarktstraße in Beckum. 1924 versuchte sich Brinkmann als Kaufmann und gründete eine Seifengroßhandlung in Beckum, die aber bald bankrott ging. Er trat der NSDAP am 01. März 1931 bei und erhielt die Mitgliedsnummer 476054. Da es in Beckum noch keine eigene Ortsgruppe gab, wurde er zunächst Mitglied der Ortsgruppe Gütersloh. Als sich am 01. Juni 1931 eine eigenständige Ortsgruppe der NSDAP in Beckum gründete, wurde er erster Ortsgruppenleiter. 1932 unterzeichnete er eine Treue-Erklärung auf Adolf Hitler für ein Mandat im Preußischen Landtag. Anscheinend ist Brinkmann aber nicht gewählt oder gar aufgestellt worden. 1932 musste er auch sein Amt als Ortsgruppenleiter an Hugo Scheifhacken abtreten. Brinkmann gehörte der SA in Beckum an, war dort aber anscheinend nur einfaches Mitglied. Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler randalierte Brinkmann alkoholisiert in der Beckumer Innenstadt und zertrümmerte mit Steinen die Fensterscheiben eines bekannten Nazi-Gegners. Seine persönlichen Verhältnisse blieben ungeordnet. Im Januar 1934  bedrohte er, erneut stark alkoholisiert, den Ortsgruppenleiter Hugo Scheifhacken in einem Wirtshaus mit einer Pistole. Im März 1934 wurde er wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. 1936 wurde er nach einer einjährigen Sperre oder einem ungültigen Austritt wieder in die Partei aufgenommen. Aber bereit 1938 erhielt Brinkmann erneut eine offizielle Verwarnung durch ein Parteigericht und eine dreijährige Ämtersperre.

1940 war Brinkmann als Flurschütze bei der Stadt Beckum angestellt. Wenig später wurde er im Zweiten Weltkrieg als Soldat eingezogen und kämpfte an der Ostfront, wo er 1944 ausgezeichnet wurde. Sein weiteres Schicksal ist bisher unbekannt.

Quellen:

Bundesarchiv, BArch R 9361-II-116854.

Bundesarchiv, BArch R 9361-VIII-KARTEI-4011754.

Bundesarchiv, BArch R9361-IX-KARTEI-4521083.

 

Hugo Scheifhacken

Hugo Scheifhacken wurde am 05. August 1893 in Essen-Ruhr geboren. Von Beruf war er Kaufmann und wohnte auf der Oststr. 24 in Beckum. Im Ersten Weltkrieg diente Scheifhacken als Gefreiter im „Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4“. Er wurde mindestens einmal verwundet. Scheifhacken hatte am 12. Juni 1923 die gebürtige Beckumerin Maria Steinhoff in Münster geheiratet. Sie hatten ein gemeinsames Kind. Sein Sohn Rudolf Scheifhacken gehörte der HJ an und wurde Soldat im Zweiten Weltkrieg. Er verstarb kurz vor Kriegsschluss im April 1945. Hugo Scheifhacken arbeitete als Kaufmann mit Emailleprodukten und besaß ein sogenanntes Wanderlager. Während der Weltwirtschaftskrise verlor er aber sein Geschäft.

Scheifhacken wurde im Juli 1931 Mitglied der NSDAP Ortsgruppe Beckum unter der Nummer 593538. Im Jahr 1932 übernahm er von Hugo Brinkmann das Amt des Ortsgruppenleiters. Scheifhacken wurde am 12. März 1933 in das Stadtparlament gewählt. Dort wurde er Magistratsschöffe und Mitglied verschiedener, städtischer Ausschüsse. 1935 zog er sich aus der kommunalen Politik zurück, blieb aber als Ortsgruppenleiter das zentrale Gesicht der NSDAP in Beckum.

In der Stadtverordnetenversammlung polemisierte er früh gegen die christlichen Arbeiter. So klagte er am 05. Mai 1933 den katholischen Arbeiterverein St. Paulas mit dem Worten, „das Paulus-Haus hätte in den letzten Jahren den schärfsten Kampf gegen den Nationalsozialismus geführt, schlimmer als die SPD“ an. 1935 gelang es ihm mit Hilfe der staatlichen Stellen das Paulus-Haus zu übernehmen und in ein „Deutsches Haus“ umzuwandeln. Scheifhacken wurde Wirt dieses „braunen Hauses“ und nahm dort seine Wohnung. Von dem Juden Leopold Windmüller „kaufte“ er Gartenparzellen hinter dem Haus an. Bei dem Pogrom in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 nahm Scheifhacken eine führende Rolle ein.

Anfang 1939 wurde Scheifhacken zum Ortsbeauftragten bzw. Kreisbeauftragten der Stadt Beckum ernannt. Seine Aufgabe war es, die nun vorhandenen drei Ortsgruppen gegenüber der Kreisleitung in Ahlen zu vertreten. Im Januar 1942 wurde Scheifhacken im Zuge einer erneuten Reorganisation der Beckumer NSDAP Ortsgruppen, die von drei auf zwei reduziert wurden, in seinem Amt als Kreisbeauftragter bestätigt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Scheifhacken 1943 zur Wehrmacht eingezogen und gab das Amt des Kreisbeauftragten an Karl Kelle ab. Scheifhacken geriet gegen Ende des Krieges in Kriegsgefangenschaft. Ihm wurde wegen der Ereignisse der Reichspogromnacht in Beckum 1948 der Prozess gemacht und er zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Haftentlassung 1955 ging Hugo Scheifhacken nach Essen und wurde dort erneut Wirt in einer Gaststätte. Scheifhacken verstarb am 26. August 1964 in Essen-Bredeney.

Scheifhacken war ein Sport- und Schießbegeisterter SA-Mann, der in der SA 1941 den Rang des Obertruppführers erhielt. Er erwarb 1936 das SA-Sportabzeichen und ein Jahr später das Goldene Reichssportabzeichen. Die 1937 erfolgte Fusion aller Beckumer Schützenvereine zu einer Beckumer Schützenkameradschaft war sein persönliches, politisches Anliegen. Bei den Schützenfesten 1938 bis 1942 gewann er mehrere Preise.

Quellen:

Bundesarchiv, BArch R 9361-IX-KARTEI-37050187.

Materialsammlung aus der Familie.

Auskunft Standesamt Essen.

Lukas, Hubert: ...Weitermarschieren, bis alles in Scherben fällt …, Kriegsende 1945 in Beckum und Umgebung (Beckumer Blätter 4), 3. Auflage, Beckum 1995, S. 97-98.

Karl Kelle

Karl Kelle wurde am 25. August 1893 in Hausberge geboren. Am Königlichen Lehrerseminar in Recklinghausen wurde er zum Lehrer ausgebildet. Er zog 1914 in den Ersten Weltkrieg und wurde 1915 nach einer schweren Verwundung entlassen. Nach Stationen als Hilfslehrer in Windheim, Ehsel und Ennigerloh kam er im Februar 1919 nach Beckum, wo er Lehrer an der evangelischen Schule wurde. Besonders beliebt bei den Schülern waren die von ihm organisierten Fahrten und Wanderungen. Bei Schulfeiern hielt er Lichtbildvorträge. Dazu zwei Beispiele aus der „Chronik der evangelischen Volksschule in Beckum“: „Aus Anlass der Befreiung der Länder Rhein und Mosel von der feindlichen Besatzung fand am 1. Juli 1930 eine Schulfeier statt. Herr Kelle hielt einen interessanten Vortrag über das Rhein- und Moselland und führte den Kindern die schönsten Gegenden dieser deutschen Gebiete in Lichtbild vor. […] Am 16. und 17. Juli 1930 unternahm Herr Kelle mit der Oberklasse einen Ausflug nach Witten, um daselbst das im Stadtwald Hohenstein auf der dortigen Naturbühne zur Aufführung gelangende Trauerspiel „Gudrun“ zu besuchen. Im Anschluss an dieses Festspiel wurde am folgenden Tag eine Wanderung nach der Hohensyburg unternommen. Dieser vom schönsten Wetter begünstigte Ausflug hat allen Teilnehmern sehr viel Freude bereitet.“ Kelle blieb bis zum September 1934 an der Schule in Beckum und wechselte dann für fünf Jahre nach Oelde.

Neben der Schule war Kelle auch politisch aktiv. So leitete er 19 Jahre lang den evangelischen Männerverein Beckum. 1923 wurde er in das Stadtparlament gewählt und 1924 in die Kirchenvertretung. 1929 gelang ihm der Wiedereinzug in das Stadtparlament. Er war Mitglied der städtischen Schuldeputation und des Jugendwohlfahrtsausschusses.

Kelle wurde am 01. Mai 1933 Mitglied der NSDAP (Nr. 2.479.387) und am gleichen Tag Mitglied im NSLB, dem Nationalsozialistischen Lehrer-Bund (Nr. 30.321). Damit gehörte er zu der großen Gruppe an sogenannten „Märzgefallenen“, d. h. Leuten, die aus Karrieregründen noch rasch Mitglied der NSDAP werden wollten. Viele von ihnen wurden aber auch zu ideologisch gefestigten Nationalsozialisten. Dies zeigte sich bei Kelle deutlich. Er wurde Kreisredner der NSDAP im Kreis Beckum, Ortsgruppen-Schulungsleiter und zunächst Stellvertretender, dann erster NSLB-Amtsleiter des Kreises Beckum. War Kelle zunächst Mitglied der NSDAP Beckum wurde er mit seinem Wegzug nach Oelde Mitglied der dortigen NSDAP Ortsgruppe und ihr Ortsgruppenleiter. Erst mit seiner Rückkehr nach Beckum wurde er erneut Mitglied der Beckumer Ortsgruppe der NSDAP. Beckum hatte Kelle 1934 verlassen, um in Oelde eine Stelle an der dortigen Volksschule anzunehmen. Im Oktober 1939 kehrt er nach Beckum zurück, um die Leitung der entkonfessionalisierten Antonius-Schule, die nun Hans-Schemm-Schule genannt wurde, zu übernehmen. Im gleichen Jahr übernahm er die Ortsgruppenleitung NSDAP Ortsgruppe Beckum-Kollenbach. Er übernahm 1943 von Hugo Scheifhacken das Amt des Kreisbeauftragten der Stadt Beckum und wurde damit Koordinator zwischen den zwei Beckumer Ortsgruppen, den drei Ortsgruppen des Amts Beckum (Vellern, Sünnighausen und Lippborg) und der Kreisleitung der NSDAP in Ahlen.

Kelle nahm seinen Wohnsitz im  Anna-Stift. Diese kirchliche Einrichtung wurde 1939 beschlagnahmt und in ein Säuglings- und Wöchnerinnenheim der NS-Volksfürsorge umgewandelt. Auch ein Kindergarten wurde dort eingerichtet. Während des Zweiten Weltkrieges glaubte Kelle bis zuletzt an den Endsieg durch Wunderwaffen. In den Abendstunden des Karfreitages 1945 klingelte es an der Haustür der Familie Kelle. Zwei Männer wollen den Kreisbeauftragten sprechen. Als Kelle zur Tür kommt wurde er von einem der Männer niedergeschossen. Die beiden Männer konnten unerkannt entkommen. Kelle verstarb am 04. April 1945 an den folgen des Bauchschusses.

Quellen:

Bundesarchiv, BArch NSLB, Karl Kelle.

Bundesarchiv, BArch R 9361-IX-KARTEI-19670559.

Lukas, Hubert: ...Weitermarschieren, bis alles in Scherben fällt …, Kriegsende 1945 in Beckum und Umgebung (Beckumer Blätter 4), 3. Auflage, Beckum 1995, S. 98-102, S. 165-167, S. 392.

Steinmann, Hermann: Chronik von Beckum (bis 1930), Beckum 1980, S. 220.