Die Sturm-Abteilung SA in Beckum und andere nationalsozialistische Formationen

Neben der NSDAP (PO) gab es Organisationen, die mit der Partei als Unterorganisationen eng verbunden waren und Einrichtungen, die zwar mit der NSDAP verbunden waren, aber eine eigene Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vermögen darstellten. Über alle der hier vorgestellten Gruppierungen ist nur sehr wenig bekannt. Meist ist es nur der Fakt, dass diese Organisation auch in Beckum bestanden hat. Auch hier ist es die dünne Quellenlage, die bisher noch keine weiteren Schlüsse und Inhalte zur Geschichte der verschiedenen Organisationen zu lässt.

Neben der NSDAP war die Sturmabteilung (SA) die wichtigste Stütze des Nationalsozialismus in Beckum und ein wesentlicher Faktor bei der Übernahme der Macht in der Püttstadt. Die SA Beckum wurde bereits 1931 gegründet, kurz nach der Gründung der Ortsgruppe. Es war üblich, dass auch die Ortsgruppenleiter einen Rang in der SA besaßen. Die SA Beckum gehörte später als SA-Sturmbann II/22 (Beckum) zur Standarte 22 „Hermann Pantföder“ in (Ahlen) zur Brigade 66 (Münster) zur Gruppe Westfalen. Vorher gehörten die Beckumer SA Leute noch zur Standarte in Hamm. Generell war aber die SA in Beckum vor der Machtübernahme nicht besonders groß. Über die SA Ahlen heißt es: „Einer Aufstellung der Stürme des Gausturmes Westfalen vom 15.11.1929 ist zu entnehmen, dass von den insgesamt 25 Stürmen mit zusammen 1323 Mitgliedern nur einer in Ahlen ansässig war. Dieser hatte nur 13 Mitglieder, und dies war eine der schwächsten Besetzungen, die es in ganz Westfalen gab. Auch wenn dieser Sturm, der später als Sturm 14 im Sturmbann II/13 bezeichnet wurde, bis zum 05.04.1932 auf 95 Mitglieder anwachsen konnte, muss doch festgestellt werden, dass auch die SA im Kreis [Beckum] überdurchschnittlich schwach vertreten war.“

Die SA in Beckum zeichnete sich dadurch aus, dass sie regelmäßig durch die Straßen Beckums zog und nationalsozialistische Lieder sang. Auch beteiligte sie sich an den regelmäßig vorkommenden Straßenschlägereien im Kreisgebiet und 1933 in Beckum selbst. Nach der Machtübernahme wurden Beckumer SA Leute als Hilfspolizisten herangezogen und führten am 29. März 1933 einen Boykott jüdischer Geschäfte durch. Nach dem sogenannten „Röhm-Putsch“ Ende Juni/Anfang Juli 1934 wurde auch die SA in Beckum, welche nun auch den Stahlhelm eingegliedert hatte, stärker durch die NSDAP (PO) kontrolliert.

Die SA wurde weiterhin für die Sport- und Wehrerziehung der breiten Bevölkerung herangezogen. Dazu kooperierte die Beckumer SA mit dem Beckumer Turnverein. Der Beckumer Reitverein trat vollständig der SA bei und bildete eine eigene Reiter-SA in Beckum. Daneben gab es auch eine Marine-SA, welche den in den 1920er Jahren gegründeten Beckumer Marineverein übernommen hatte. In Kooperation mit den Schützenvereinen, welche 1937 alle zu einer Schützenkameradschaft Beckum fusioniert wurden, gab es regelmäßige Schießwettbewerbe. Außerdem war die SA Beckum stets für Propagandaaufzüge und -märsche zuständig und organisierte den „Wahlkampf“ für die manipulierten Reichstagswahlen und Volksentscheide während der Diktatur.

Auch in Beckum gab es eine eigene Schutzstaffel (SS) Formation. Diese hatte aber nur wenige Mitglieder und unterstand als SS-Schar dem SS-Sturmbann in Ahlen. 1942 wurde in Beckum die SS-Division Germania stationiert. Sie wurde in den Schulen der Stadt untergebracht und durch die Bevölkerung versorgt. Inspiziert wurde die Division von Heinrich Himmler persönlich, der für mehrere Tage dazu in Beckum verweilte.

Neben den militärischen Formationen der SA und der SS, gab es noch weitere militaristische Organisationen der Partei in Beckum: die NSKOV (Nationalsozialistische Kriegsopfervereinigung), das NSKK (Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps), der Fliegerstützpunkt der SA und der HJ und die zur Kriegerkameradschaft fusionierten Kriegervereine. Auch diese Vereine dienten der militärischen und technischen Erziehung der Bevölkerung.

Daneben waren die Jugend-Organisationen in Beckum von großer Bedeutung für die nationalsozialistischen Erziehung. Das Deutsche Jungvolk, der Bund Deutscher Mädel (BDM) und die Hitler-Jugend (HJ) gehörten wahrscheinlich zu den zahlenmäßig größten nationalsozialistischen Organisationen in Beckum. Auch über ihre Entstehung und Entwicklung ist kaum etwas bekannt, aber sie sind in Beckum erst im Jahr 1933 gegründet worden. Anders verhält es sich mit dem Nationalsozialistischen Schülerbund (NSS) der bereits Ende 1932 am Beckumer Gymnasium gegründet wurde. Allerdings wurde der NSS bereits 1933 aufgelöst und in die HJ integriert.

Gerade in der frühen Zeit der nationalsozialistischen Diktatur kam es häufig zur Gründung von Organisationen, die später in andere Organisationen überführt wurden. Ein Beispiel dafür ist die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO). Erstmals in Ahlen 1931 gegründet wurde die NSBO 1933 auf Beckum ausgeweitet. 1934 nahm die NSBO an den Betriebsratswahlen teil und erhielt ein „schlechtes“ Ergebnis von knapp 60% der abgegebenen Stimmen. Bereits 1935 wurde der NSBO aufgelöst und in die Organisation Deutsche Arbeitsfront (DAF) überführt. Ähnlich erging es dem „Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes“ der 1933 nur wenige Monate existierte, bevor er in die Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisationen (NS-Hago) überführt wurde, die sich wiederum ebenfalls 1935 in der DAF auflöste. Dieses Gründen und Verschwinden von nationalsozialistischen Organisationen macht es schwer, die genaue Anzahl von Verbänden in Beckum anzugeben. Auch sind überlieferte Zusammenstellungen nicht vollständig, wozu hier zwei Beispiele aufgeführt werden:

Im Jahr 1938 gab es nach dem „Adressbuch des Kreises Beckum zusammengestellt nach amtlichen Unterlagen“ folgende nationalsozialistische Organisationen in Beckum: NSDAP (PO), SA-Sturm 2/22, SA-Reserve 7/22, SA-Marine, NSKK, SS-Schar, Fliegerstützpunkt, Kriegerkameradschaften, Hitler-Jugend, Jungvolk, BDM, DAF, NSKOV, NSV, Bund der Kinderreichen, NS-Frauenschaft. Auffallend ist, dass hier die Kulturorganisationen, wie die NS-Kulturgemeinde und zum Beispiel auch der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) fehlen.

Eine Auflistung aus dem Jahr 1947 gab folgende nationalsozialistische Organisationen an, die in Beckum am Ende des Zweiten Weltkrieges bestanden hatten:  NSDAP-Kollenbach, NSDAP-Werse, NS-Frauenschaft Werse, NS-Frauenschaft Kollenbach, NSKOV, NSKK, Reichsbund Deutscher Beamten, SA-Marine-Sturm, Hitler-Jugend, Reichsarbeitsdienst, Reichstreubund ehemaliger berittener Soldaten. Auch hier fehlen definitiv einige Organisationen.

Sicher ist, dass es auch in Beckum Strukturen gab, die den Nationalsozialismus in den letzten Winkel des eigenen Haushaltes brachten, dass es keinen Verein, keinen Stand und keinen Beckumer gab, der nicht mit dem Nationalsozialismus in Berührung gekommen war. Als Ideologie durchdrang er alle Bereiche des Alltags. Von einigen Beckumer wurde der Nationalsozialismus herbeigesehnt und begrüßt, von einigen geduldet, von vielen bereitwillig angenommen und nur von ganz, ganz wenigen bekämpft.

Quellen:

Adressbuch des Kreises Beckum zusammengestellt nach amtlichen Unterlagen, Beckum 1938.

KAW, Stadt Beckum, C 1.

Kampert, Bernd: 75 Jahre Albertus-Magnus-Gymnasium, Beckum 1985.

Langer, Ulrich: Die Machtergreifung 1932-1934 im Altkreis Beckum unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Oelde, Schriftliche Hausarbeit vorgelegt im Rahmen der ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I, Oelde 1983.