Hitler-Putsch 1923 und die Folgen

Erstmalig konnten sich die Bürger von Beckum am 10. November 1922 über die Bewegung der „bayrischen Faßzisten“ in München und ihrem Führer Adolf Hitler, „ein Österreicher“ wie vermerkt wurde, in der Glocke informieren. Dort erschien ein Bericht des Münchener Korrespondenten der „Kölnischen Volkszeitung“ über eine Rede von Hitler. Der Korrespondent schildert als Augenzeuge das Charisma des Führers, sein rhetorisches Talent und seine Fähigkeit, mehrere tausend Menschen über zwei Stunden lang zu fesseln und zu bannen. Am Ende der Rede gehen die Sitznachbarn des Korrespondenten, ein aristokratischer, ehemaliger Weltkriegsgeneral und ein ehemals kommunistischer Arbeiter gemeinsam hin, um sich als Parteimitglieder einschreiben zu lassen. Ausdrücklich heißt es in dem Bericht, dass dieses „Stimmungsbild eine Bewegung schildert, deren Wachsen und Bedeutung […] politische Gefahren heraufbeschwört, deren Tragweite heute noch gar nicht zu ermessen ist.“

Der sogenannte „Hitler-Putsch“ vom 09. November 1923 brachte dann den Namen Adolf Hitler erstmals unter der Schlagzeile „Putsch in Bayern“ auf die Titelseite der Glocke, die führende Tageszeitung im Altkreis Beckum, die der katholischen Zentrumspartei nahe stand, und die mit ihr verbundene Beckumer-Volkszeitung. Die BVZ berichtete aber eher über General Ludendorf und war über seine Rolle beim Putsch tief enttäuscht In einem Artikel mit der Überschrift: „Gegen die Berliner Judenregierung“ - dabei hielt der Artikel fest, dass im November 1923 kein Jude der Reichsregierung angehöre - wurden Adolf Hitler und seine Politik folgendermaßen charakterisiert: „Wenn der Charlatan Hitler in einer an Größenwahnsinn grenzenden Rede (…).“ Und weiter hieß es auch: „Es ist unglaublich mit welchen blöden Phrasen die Volksmassen aufgepeitscht werden.“ Hitlers Machtanspruch wurde generell als „niedlich“ abgetan und er als „Hanswurst“ beschimpft. „Charlatan“, „Größenwahnsinn“, „blöden Phrasen“, „Hanswurst“, mit diesen Begriffen ließ sich Hitler zwar verunglimpfen, doch zeigte sich bereits hier eine Ignoranz gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie und eine Überheblichkeit gegen ihre Politiker, die zu einer fortdauernden Unterschätzung der Nationalsozialisten in den bürgerlichen Kreisen Beckums führen sollte.

Kurz nach dem gescheiterten Putsch schrieb auch der Kaufmann Illigens als Beckumer Kreisvorsitzende des Westfalenbundes e.V. an den letzten Vorsitzenden des Westfalenbundes e.V. und verkündete seinen Rücktritt, die Auflösung der Kreisgruppe Beckum und die Ablehnung des Beitritts zum Stahlhelm. Er begründete dies mit der Ablehnung des „Hitler- und Ludendorff Rummels, von dem der Westfalenbund zu spät abgerückt“ sei. Offensichtlich war dieser „Rummel“ für den rechts stehenden Konservativen Kaufmann Illigens zu viel und er legte den Kreisvorsitz des Westfalenbundes e.V. Beckum nieder. Auch in Beckum gab es in den ersten, kritischen Jahren der Weimarer Republik (1918-1924)  rechtskonservative und rechtsextreme Vereinigungen, die sich aus dem Bürgertum speisten und national-völkische, militaristische und die Weimarer Verfassung ablehnende Haltungen verkörperten und propagierten.

Der „Hitler-Putsch“ verprellte zwar ältere Konservative, scheint aber jüngere Rechtsextreme motiviert zu haben. Im Dezember 1923 zerstörten drei Angestellte und ein Arbeiter zunächst das Portal der Synagoge in Beckum. In der Neujahrsnacht wurde die Treppe zur Synagoge zerstört und einige jüdische Bürger Beckums erhielten anonyme Drohbriefe. Die Glocke schrieb dazu am 02. Januar 1924: „Jeder anständige Mensch verurteilt solche Exzesse.“ Die vier Täter konnten ermittelt werden und mussten den von ihnen verursachten Schaden an der Synagoge selbst reparieren.

Der Prozess um den „Hitler-Putsch“ verhalf Adolf Hitler zum Durchbruch in ganz Deutschland. Die Presseberichterstattung über seinen Prozess verhalf ihm zu einem positiven Image. Bei den Reichstagswahlen am 04. Mai 1924 erhielten die drei an der Wahl teilnehmenden rechtsextremen Parteien Völkischer Sozialer Block (der Ersatz für die verbotene NSDAP), Nationale Freiheitspartei und die Deutsch-Sozialisten in der Stadt Beckum zusammen 82 Stimmen. Das Wählerreservoir war hier noch überschaubar und zersplittert. Bei den zweiten Reichstagswahlen am 07. Dezember 1924 erhielt die NSDAP, die nun erstmals in Beckum gewählt werden konnte 19 Stimmen und die Deutsch-Sozialisten 2, also insgesamt nur 21 Stimmen. Die BVZ vermerkte dazu: „Vernichtend geschlagen wurden die Nationalsozialisten […].“

 

Quellen:

Die Glocke vom 10.11.1922.

Beckumer-Volkszeitung vom 10.11.1923.

Die Glocke vom 02.01.1924.

Beckumer-Volkszeitung vom 08.12.1924.