Erinnerungen von Gertrud Lips

 

Gertrud Lips, geborene Niehaus, wurde 1933 geboren und wohnte als Kind mit ihren Eltern und ihren 5 jüngeren Geschwistern in der Alleestraße in Beckum.

Sie erzählt:

Mein Vater hatte eine Schreinerei in der Alleestraße, die zu dieser Zeit Adolf-Hitler-Straße hieß. Er war im Krieg als Soldat in Griechenland und Albanien, kam aber schon bald zurück, da meine Mutter ihn wegen der fünf Kinder reklamiert hatte.

Als Kind ging ich in die Elisabethschule, die früher am Standort der heutigen Bücherei stand. Ich musste dazu über die Nordstraße, früher Adolf-Schürmann-Straße, bis zur Elisabethstraße, die früher Saarlandstraße hieß,  gehen. Auf meinem Weg zur Schule sah ich morgens häufig eine Gruppe Kriegsgefangener auf der Nordstraße, die, von Soldaten mit aufgepflanzten Seitengewehren begleitet, an ihre Einsatzorte zur Arbeit gebracht wurden. Einmal sah ich eine Frau, die bettelte um mein Butterbrot. Ich gab der Frau mein Brot, aber der Soldat, der die Szene beobachtet hatte, nahm es ihr weg, warf es auf die Straße und zertrat es.

Als ältestes Kind musste ich schon früh im Haushalt helfen. So musste ich schon um 5 Uhr morgens auf den Markt gehen, um Gemüse und andere Waren einzukaufen, denn Lebensmittel waren meisten schon um 6 Uhr ausverkauft.

Wenn wir in der Schule waren und es gab Fliegeralarm, dann mussten die Schüler, die in der Nähe der Schule wohnten, schnell nach Hause laufen. Der Luftschutzkeller musste aufgesucht werden und man verharrte da, bis die Gefahr vorbei war. Oft wurde dort auch der Rosenkranz gebetet.  

Nach dem Krieg mussten unsere Verwandten ihre Häuser und Wohnungen im Nordviertel der Stadt verlassen, da sie mit Ausländern belegt wurden. Auch die Antoniusschule war belegt von amerikanischen Soldaten. Meine Verwandten fanden Unterkunft in meinem Elternhaus, es waren so viele, dass zu einer Zeit 11 Personen auf dem Flur schlafen mussten.  

!945 belegten die Engländer die Schreinerei meines Vaters, sie mussten auch verpflegt werden. Da ich aber einmal die Lebensmittelkarten verloren hatte- oder waren sie geklaut worden? -, hatte die Familie ein Problem, alles musste streng rationiert werden. Wir bekamen aber Raucherkarten und Zucker von den Engländern, die wir dann gegen Obst und Gemüse bei den Bauern umtauschten.

Ich erinnere mich, dass ein Bruder bei der Hitlerjugend war und um etwas Geld zu verdienen, Schuhe geputzt hat.

Ein Onkel ist in Russland am Lagodasee gefallen.

1945 hingen weiße Betttücher aus den Fenstern.